„Blau-Gelb-Sucht“, Vorstellung und Lesung am 22.8.2013

Lesung: "Blau-Gelb-Sucht"Blau-Gelb-Sucht. Buch-Vorstellung und Lesung. 22.8.2013. Buchhandlung „Graff“, Braunschweig, Sack 15,  20:15 Uhr. 

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Kartenvorbestellung:  Beim Reiffer-Verlag oder Buchhandlung Graff.

Europapokal 2013

Aufstieg und Europapokal-Entscheidungsspiel Eintracht Braunschweig gegen Energie Cottbus, Eintracht-Stadion, 6.5.2013

„Europapokal, Europapokaaal“, wir feiern unseren Aufstiegsgottesdienst an der Hamburger Straße. Allein das Wort schon: Europapokal, in den Siebzigern und Achtzigern haben wir immerhin noch regelmäßig im glorreichen Intertoto-Cup gegen obskure Ostblock-Vereine oder sogar Malmöö FF für ein geeintes Europa gekämpft! Sogar die Cottbusser Spieler spüren den Mantel der Geschichte, stehen beim Einlaufen der Eintracht-Helden Spalier und gratulieren nobel, wie Major Puskás dem Fritz Walter 1954. Werdet zur Legende, kämpfen bis zum Ende. Und jetzt alle: „Eurroppapokaaaal, Europaaaapokaaal“, danke schön für diese traumhafte Saison. Ab jetzt: Nur noch Sommerfußball am Weltwochenende.

Kein Ballgefühl: Gieriges Kleben am Zaun

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Warum wird man eigentlich Fußballfan? Mein Auslöser war seltsamerweise die völlig vergurkte WM 1978 in Argentinien. Erweitern wir die Frage: Warum wird man Fan von Eintracht Braunschweig? Nun, in dieses Dasein wird man wohl schlicht und einfach geworfen. Die Treue zu einem Verein bedeutet eben keine moralische Wahl wie Tapferkeit oder Freundlichkeit, sondern eher eine „Warze oder ein Buckel, etwas was Dir anhaftet“, wie es der große Nick Hornby („Fever Pitch“) ausdrückt. Bei mir war‘s mein erstes Spiel im Stadion, in meiner ersten Saison 1978/79. Mein Onkel hatte mich, als kleinster Pik-Bube, zum Saisonauftakt mitgenommen und ich klebte gierig am Zaun. Gegen, ausgerechnet, die „Geißböcke aus Köln“, wie es in der ARD-Moderatorenakademie wohl seit Jahrzehnten gelehrt wird. Eine rauschende Ballnacht mit einem akkuraten 1:0 von Danilo Popivoda folgte. Weniger schön, auch das muss natürlich erzählt werden, war dann das 0:8 im folgenden Abstiegsjahr in Köln. Kurz darauf wurde dann in hoher Not „Rakete“ Eggeling verpflichtet, aber die hat auch nicht mehr so richtig zünden wollen. Im Rückspiel konnten dann wieder Trimhold und Popivoda ein astreines 2:1 knipsen …

Eines der schönsten Spiele gegen Kölle – mit Pierre Littbarski und Toni Schumacher – aber war zweifelsohne das Saisonfinale 1982; an einem herrlichen Maientag gab‘s ein lässiges und völlig bedeutungsloses 4:4. Achtmal klingelingeling: 4:4! Die Namen der Eintracht-Torschützen, ich darf zitieren, wir erheben uns bitte von den Plätzen: Wolfgang Grobe, Ronnie Worm, Hans-Heinrich Pahl, Peter Geyer. Welch‘ Musik! Gar nicht schön dann wieder, typisch Eintracht, die Saison-Eröffnung 1984, 1:3 gegen Köln. Torschütze: Peter Lux. Nun ja …

Warum weiß man diesen ganzen Kram noch? Und was macht einen Fußballfan nun wirklich aus? Lassen wir besser nochmals Nick Hornby antworten: Ein Fußballfan ist besessen und exentrisch, fährt an einem „saukalten Januarnachmittag“ ganz allein hundert Kilometer zu einem Spiel der Reservemannschaft, obwohl er das Spiel hasst. Er denkt nicht, denn wer zuviel versteht, hört auf, Fan zu sein. Er hat ein lächerlich geniales Gedächtnis, was leicht zu Pedanterie führt: „Warum fühle ich mich gezwungen, wenn mir jemand erzählt, dass er 1976 einen 5:2-Sieg gegen Newcastle gesehen hat, zu bemerken, dass das Spiel 5:3 ausgegangen ist? Warum kann ich nicht höflich sagen: Ja, das war ein tolles Spiel?“ Kein Nicht-Fan kann das verstehen. Leider wird die Fußballbesessenheit von der Gesellschaft nur unzureichend akzeptiert, „Heimspiel gegen Sheffield United“ gilt bei Hochzeitseinladungen nicht als annehmbarer Absagegrund.

Überhaupt: Ein Fan amüsiert sich, indem er leidet. Besessenheit ist nicht lustig und Besessene lachen nicht. „Ich wollte beim Fußball einfach keinen Spaß haben. Ich hatte überall sonst Spaß, und es hing mir zum Hals raus. Ich war melancholisch, und wenn ich meinem Team zuschaute, konnte ich die Melancholie auspacken und ihr etwas Auslauf verschaffen.“

Aber Achtung: Bitte nicht heute!

Mein "Sieg in Rom", 1980

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Naja, ok, das war schon zur Europameisterschaft 2008. Nur das Wort „Querdenker“ bitte mit dickem Edding streichen, sonst passt alles, danke!

Aus: Braunschweiger Zeitung vom 5.6.2008