Früher haben wir das „Campus-Wörterbuch“ geschrieben, heute fotografiere ich Wackelpudding, verdammte Regierung!

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Gerald Fricke / Frank Schäfer: Das Campus-Wörterbuch. Der obligatorische Führer von Abitur bis Zwangsexmatrikulation, Eichborn, 1998.

Universitäten, Klaus Fischers Fallrückzieher, die Webgesellschaft und Bob Dylans Mülleimer, passt schon!

Hochschulen, Fallrückzieher und Bob Dylan, so ungefähr habe ich den Assoziationsraum einer „kooperativen Webgesellschaft“ beschrieben, letzte Woche, beim CHE-Expertenforum in Braunschweig. Aber seht selbst, Klaus Fischer tritt bei Minute 9:18 auf…!

Dr. Gerald Fricke: Hochschulen in der Webgesellschaft, Keynote CHE-Expertenforum (Teil 1), 16.01.2012

Im zweiten Teil der Keynote hat Yvonne Gaedke ”Sag’s uns” und das Beschwerdemanagement an der TU Braunschweig vorgestellt. Anschließend haben Patrick Helmholz und Michael Kallookaran an einem der Gesprächstische über die “Lehre der Zukunft” gesprochen. Die ganze Geschichte seht Ihr hier, im wi2-Blog.

(Anmerkung: Ja, ich weiß, das Video wurde leider mit einer Kartoffel gefilmt…!).

Wenn die Mensa Sommerurlaub abbummelt… Auf in den „Sozialraum“

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Sozialraum. Also heißt die Speisekammer der „nichtwissenschaftlichen“ Universitäts-Mitarbeiter. Sozialraum − ohne Witz! Im Sommer, wenn die Mensa ihren unverdienten zweiwöchigen Urlaub nimmt, verschlägt es auch uns hierher, denn Alternativen sind rar gesät, in der Studentenkneipe jedenfalls kommt man mit allem drum und dran auf Zwölfmackdreißich (und da kann man auch gleich zum Italiener gehen), beim Griechen wäre man den Rest des Tages mit Verdauen beschäftigt, und im „AOK-Himmel“ sind alle Tische ab 10.30 Uhr für zickige „Sachbearbeiter“ reserviert. Also: Sozialraum. Und wie! Arbeiter der Stirn und Arbeiter der Faust (also wir!) lümmeln hier in einer Schlange, eine Vereinigung, die kein noch so zwingender volksgemeinschaftlicher Gedanke, sondern nur der ordinäre Kamerad’ Kohldampf zu schmieden je vermochte. Die „Zwei Kulturen“ (C. P. Snow) vereint in der und durch die Currywurst. Der „Kampf der Kulturen“ (S. Huntington) beschränkt auf „Pommes mit Schranke“. Die Friteuse im Dialog mit der Gulaschkanone, will sagen: der Friteuse. In diesem Mikrokosmos wird spielerisch soziales Verhalten einstudiert, es wächst etwas heran, für das wir nur das große Wort „Gemeinschaft“ heranziehen können, kommunitarismustheoretisch gesehen sehr interessant. So muß doch auch ein Vielvölkerstaat funktionieren können!

Gerald Fricke / Frank Schäfer: Das Campus-Wörterbuch, Frankfurt/M., Eichborn-Verlag, 1998, S. 79.

Historische Texte (64): Die „Fußnote“ von Frank Schäfer

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Fußnote. Gilt gemeinhin als sichtbarster Ausweis wissenschaftlicher Akkuratesse. Anders als der formal freizügigere Essayist, vom schlampigen Journalisten hier mal ganz zu schweigen, ist der Akademiker gehalten, den genauen Fundort der von ihm zitierten Quelle nachzuweisen – und zwar in Form einer Anmerkung „am unteren Seitenrand oder im Anhang“.1 Anständigerweise dokumentiert er an diesem niederen Ort auch einschlägige Untersuchungen, auf denen seine eigenen Ausführungen ganz oder teilweise – nun – fußen.2 Außerdem finden sich dort unten Annotationen, Exkurse und Weiterungen, die den Textfluß gestört hätten, zur Abrundung und Ergänzung aber offenbar unverzichtbar sind.3 Nichts dagegen zu sagen, meinen Sie? Irrtum. Zahlreich – und so alt wie die Fußnote selbst – sind auch die Vorwürfe ihrer Verächter. Sie sei ein offensichtliches Symptom des unseligen teutschen Tiefsinns und sorge nur dafür, daß dieser sich weiter fort und fortzeuge.4 Sie sei nutzlos und bloßer Selbstzweck, diene vor allem der Eitelkeit des Wissenschaftlers, der im Textkeller seine Trophäen ausstellen könne,5 ohne daß er befürchten müsse, vor der lesenden Öffentlichkeit als eitler Geck dazustehen. Die Fußnote lenke vom Eigentlichen ab, oftmals stünden gerade die für das jeweilige Thema wesentlichen Informationen unter dem Strich.6 Und schlußendlich erleichtere ein labyrinthisch verzweigter Wurzeltext nicht gerade das Verstehen der wissenschaftlichen Abhandlung.7 Wie wir oben bzw. unten ausgeführt haben, sind alle diese Anwürfe gegenstandslos – oder können doch wenigstens die augenfälligen Vorzüge der Fußnote nicht überwiegen. Und die wurden beileibe nicht nur von Wissenschaftlern bemerkt – leider, muß man schon sagen. Denn immer auch haben selbsternannte „Humoristen“ sie für ihr albernes, unnützes Tun mißbraucht.

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1 Gero von Wilpert: [Artikel] Fußnote, in: Ders.: Sachwörterbuch der Literatur, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1979, S. 287.

2 Vgl. für das Folgende auch Gérard Genette: Paratexte, Campus Verlag, Frankfurt a. M./New York 1992. – Anthony Grafton: Die tragischen Ursprünge der deutschen Fußnote, Berlin Verlag, Berlin 1995. – Ludger Lütkehaus: Unfröhliche Wissenschaft. Die Lage der Geisteswissenschaften aus der Sicht der Fußnote, Basilisken-Presse, Marburg/Lahn 1994.

3 Kennen Sie eigentlich schon den Witz von den beiden Bauarbeitern, die sich im total überfüllten Bus treffen?! Während der eine vorn einsteigt, will der andere soeben den Bus durch den hinteren Ausgang verlassen. Schreit der eine: „Wo willsten hin?“ Der andere: „Kann ich jetzt nicht sagen, zu voll hier.“ – „Gib ma ‘n Stichwort!“ – „Fiiiickeeen!!!!!!“ – Ach, und wenn Sie noch ein schönes Buch zum Verschenken (oder auch Selberlesen) suchen, möchte ich Ihnen folgendes empfehlen: Gerald Fricke, Frank Schäfer, Rüdiger Wartusch: Die Goldenen Siebziger. Ein notwendiges Wörterbuch, Reclam Verlag, Leipzig 1997, 18,- Mark.

4 Dieser notorisch kolportierte Irrglaube läßt sich indessen sehr leicht auflösen. Er rührt wohl daher, daß sich die Fußnote unter dem eigentlichen Text befindet, mithin „tiefer“ steht.

5 Siehe hierzu auch Verff.: Wie nutze ich sinnvoll meinen Hobbykeller? Selbstverlag, Braunschweig 1995.

6 Bei einer zu vernachlässigenden Anzahl von Einzelfällen mag das zutreffen. Es gibt schließlich überall schwarze Schafe. Die akademische Masse freilich weiß sehr wohl zwischen Haupt- und Nebentext zu unterscheiden. Aber seien wir nicht ungerecht und stellen auch die positiven Eigenschaften und Möglichkeiten der Fußnote vor. Zunächst und vor allem sorgt sie für ein angenehmes Schreibklima, wenn man so will: für Geborgenheit und Nestwärme. Denn der Autor ist, Note sei Dank, nicht allein – seine Präzeptoren, Lieblingsschriftsteller und Gewährsmännern liegen ihm „zu Füßen“ und wehren im Verein die Unbilden dieser Welt von ihm ab.* Jeder Schreibende weiß zudem um die Vorteile einer funktionierenden Textkanalisation, die eine schnelle und unproblematische Entsorgung jener Wissensgülle ermöglicht, deren augiastischer Gestank ihm sonst den Atem rauben würde. Und in echten Gefahrensituationen kann er den Schauplatz dorthin verlegen, um erst einmal aus der Schußlinie der Öffentlichkeit zu sein.** Außerdem bietet die Fußnote reichlich Platz zum Basteln und Experimentieren: Alle groben Arbeiten, die in der guten Stube des Textes zuviel Staub aufwirbeln würden, lassen sich hier ohne Rücksichtnahmen erledigen, und man kann schon mal mit Säure kleckern, ohne gleich den teuren handgewirkten Teppich zu versauen. Einige kühne Verfechter der Fußnote billigen ihr sogar eine Art Rahmenfunktion zu, die den wissenschaftlichen Artikel erst ins rechte Licht rücke. Eine zumindest bedenkenswerte These. Wie Sie bemerkt haben, nähern wir uns langsam ihren ästhetischen Implikationen. Die Fußnote ist der doppelte Boden eines Textes, das Tor zu einer anderen Dimension. Hier tut sich eine Welt von absurder Schönheit auf – und man muß schon eine geraume Zeit dort verweilen, um ihre geheimnisvollen Zeichen zu verstehen.*** Diese evident poetische Dimension läßt sich auch kunsttheoretisch fundieren. Ganz im Sinne der romantischen Universalpoesie sorgt die Fußnote für Entgrenzung und öffnet den in seiner Materialität endlichen Text der Unendlichkeit. Sie verbindet das gegenwärtige Schreiben mit dem vergangenen, indem sie es noch einmal evoziert, und antizipiert auch schon zukünftiges. Denn dermaleinst wird jeder wissenschaftliche Text selbst wieder zur Fußnote.

7 Diese Miszelle sollte zeigen, daß davon nun gar keine Rede sein kann.

 
 


* Sehr beliebt in den frühen Siebzigern zum Beispiel: Vgl. Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Berlin (Ost) 1956 ff.

** Denken Sie etwa an eine sich anbahnende Kneipenschlägerei: Weil er der öffentlichen Schmach möglichst entgehen will, bittet der Unterlegene seinen Kontrahenten nach draußen, um sich dort gütlich mit ihm zu einigen – oder auf besonders schmähliche Weise zur Strecke zu bringen. (siehe: Bierstubenrauferei, innerpositivistische)

*** Cf. Anm. 2, ibid. passim (sub indice).

Aus: Gerald Fricke / Frank Schäfer: Das Campus-Wörterbuch. Der obligatorische Führer von Abitur bis Zwangsexmatrikulation. Braunschweiger Beiträge zur Dichotomie akademischen Seins. Band I: Grundfragen, Ausdruck und Kritik, 1
. unveränderte Aufl., Eichborn-Verlag, Frankfurt/M. 1998, S. 39-41.
 

Meine Vorlesung zur „Webgesellschaft“, ab April in Braunschweig, mussja!

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Uhrenvergleich: Meine Vorlesung über die „Webgesellschaft“ im Sommersemester startet am 8.4.2011, 11:30 Uhr, TU Braunschweig, Raum SN 22.1.

Mehr steht hier: http://blog.wi2-tubs.de/?p=4062

Duzkriterien

Zwei bis dreieinhalb Leser haben mich gestern gefragt, nach welchen Kriterien hier geduzt und gesiezt wird. Hm, ich weiß ehrlich gesagt auch nicht genau, nach welchen Kriterien hier geduzt und gesiezt wird.

Ich weiß nur, dass sich zwei erwachsene, gegenseitig nicht bekannte Menschen, die sich irgendwo an der Käsetheke treffen, den mitteleuropäischen Konventionen folgend, üblicherweise siezen. Treffen sich diese beiden Menschen aber auf dem internationalen Elvis-Presley-Kongress in Las Vegas, und stellt sich überraschenderweise heraus, dass beide als Backenbartwissenschaftler über gewellte Kotelettenhaare forschen, so werden unsere beiden Bart- und Käseliebhaber sehr schnell zum kollegialen Du finden und einen Forschungsverbund gründen. Wir sprechen hier vom sog. Kollegen-Du. Daneben kennt die Wissenschaft natürlich noch das Sportler-Du, das Kneipen-Du und das Schützengraben-Du. Auch in Sandkästen oder an der Sylvester-Bowle wird sich häufig geduzt.

Was ich damit sagen will: Es kommt also immer darauf an… Auf die Situationen und Zusammenhänge – und die Wahl der rhetorischen Stilmittel. Wenn ich Dich, lieber Leser, also mal ganz im Vertrauen mitnehmen möchte, in den üppig blühenden Forschungsgarten des Instituts, wenn ich Dich ganz persönlich zum Klicken und Lesen einlade, dann, ja, dann mache ich das auch mal gerne duzig…

Hauptsache höflich, freundlich und respektvoll.

Oder, was sagen Sie?